Klaus Hemmerle-Preis an ehemalige polnische Premierministerin Hanna Suchocka verliehen
Nicht der ehrwürdige Aachener Dom sondern der moderne parlamentarisch anmutende Rundbau der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin war in diesem Jahr Schauplatz der zehnten Verleihung des Klaus Hemmerle Preises.
Überreicht wurde er von den Vertretern der Fokolar-Bewegung Maria Magerl und Roberto Rossi heute an Prof. Dr. Hanna Suchocka, ehemalige Premierministerin, Justizministerin und Generalstaatsanwältin Polens. In den verlesenen Grußworten wurde bereits die hohe Wertschätzung deutlich, die Suchocka für ihr gradliniges und werteorientiertes Engagement genießt.
Erzbischof Wojciech Polak, Primas der katholischen Kirche in Polen, dankte Suchocka insbesondere für ihren Einsatz für die polnisch-deutsche Aussöhnung. Er hob ihr „Lebenszeugnis, Ihre Offenheit gegenüber anderen und Ihr stets konsequentes Eintreten für die Wahrung grundlegender Werte“ hervor.
Bischof Helmut Dieser von Aachen, dem Bistum, in dem Klaus Hemmerle bis zu seinem Tod gewirkt hatte, unterstrich in seinem Grußwort, wie wichtig es gerade in diesen bewegten Zeiten sei, Brücken des Dialogs zwischen den Kirchen, Religionen und Weltanschauungen zu bauen. „Mit Ihrem Zeugnis ermutigen Sie uns, dass wir die Hoffnung auf das glückliche Ziel nicht verlieren und dass wir gemeinschaftlich dazu beitragen können, eine Welt aufzubauen, in der Freiheit herrscht und Friede ist, in der die Menschen solidarisch sind, das Leben geachtet wird und die heute Lebenden Rücksicht auf die kommenden Generationen nehmen.“
Und Fokolar-Präsidentin Margaret Karram erinnerte in ihrer Grußbotschaft an den Appell der Fokolare-Gründerin Chiara Lubich, den Geist der Einheit und Geschwisterlichkeit zu fördern und sich dafür mit allen Menschen guten Willens zusammenzutun.
„Deshalb fühlen wir uns dafür verantwortlich, alle gemeinsam – ob gläubig oder nicht – unser gemeinsames Haus aufzubauen, Mauern niederzureißen, die immer noch bestehenden Ungleichheiten abzubauen und ein Netzwerk fairer und offener Beziehungen zwischen Menschen und Gemeinschaften zu schaffen, das neue Regeln für die globale Welt anbietet.“ Das verbinde die Gemeinschaft auch mit dem Engagement der Preisträgerin für ein integratives, solidarisches und proaktives bürgerschaftliches Engagement.
In seiner Laudatio würdigte dann Prof. Dr. Thomas Sternberg, der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die vielfältigen Verdienste von Hanna Suchocka in Politik und Gesellschaft, im Rechtswesen und nicht zuletzt in der polnisch-deutschen Aussöhnung. Mit Mut und Klarheit habe sie ihre Überzeugungen und Werte vertreten, als sie etwa 1981 gegen die Legalisierung des Kriegsrechts und im Jahr darauf gegen die Auflösung freier Gewerkschaften gestimmt habe. Auch auf die Gefahr hin, ihre politische Karriere beendet zu sehen, habe sie immer wieder ihre Stimme erhoben, um, wie sie selbst es formuliert hatte, das aufrechtzuerhalten, was sie retten wollte: „Christliche Werte – ohne jede politische Zudringlichkeit.“ Sternberg nannte sie eine „überzeugte und überzeugende Europäerin“, deren Einfluss heute mehr denn je wichtig sei. Denn jetzt gelte es, den neuen Generationen die Schlüsselrolle des deutsch-polnischen Verhältnisses zu vermitteln: Die sei nicht mehr gezeichnet „vom Blick zurück, zu den Wunden, die der Krieg geschlagen hat, sondern muss geprägt sein von dem freundschaftlichen Miteinander zweier großer europäischer Länder, die sich nicht mehr argwöhnisch belauern, sondern gemeinsam an einem friedlichen, geeinten und freien Europa bauen, das sich öffnen kann für weltweite Verantwortung und Solidarität.“
In ihrer Erwiderung zum Dank griff Professorin Suchocka zunächst die berühmten Worte von Johannes Paul II. auf, mit der er die Menschen in schweren politischen Zeiten zu seiner Amtseinführung Mut zugesprochen habe: Habt keine Angst! Und dann habe Wojtyla für Offenheit plädiert, die auch Suchockas Leitmotiv ist: „Offenheit für das Fremde, für andere Religionen, für andere Kulturen, für Nicht-Gläubige und anders Denkende.“ „Angst lähmt und verschließt uns. Es wird keine Perspektive geschaffen. Nur eine angstfreie und offene Haltung kann uns zum Dialog führen.“
Für die ehemalige polnische Premierministerin konzentriert sich die wichtigste europäische Debatte genau auf diesen Punkt: „Der Streit um die Multikulturalität scheint zu den wichtigsten Themen in Europa zu gehören. Sind wir bereit, im Zusammenhang mit der Flüchtlingswelle den Vorrang des Multikulturalismus vor der sozialen Homogenität zu akzeptieren?“
Sie beobachte gerade in der jüngeren Vergangenheit gefährliche Anzeichen für neue Konflikte und Missverständnisse, die zu Rissen führten. Man könne sich fragen, ob Europa überhaupt noch ein Ort des Dialogs sei. „Aber wir sind uns einig: Wenn Europa aufhört, dialogisch zu sein, dann verliert es damit etwas, das andere anzieht.“ Eckpfeiler eines gemeinsamen Europas seien für sie die Rechtstaatlichkeit und der Grundsatz der Solidarität. „Mangelnde Solidarität insbesondere in Zeiten schwerer Migrationskrisen führt zu einer Zunahme des nationalen Egoismus.“ Um dem entgegenzutreten und damit Dialog gelinge, brauche es außerdem Vergebung, die Bereitschaft zu Kompromissen und Sprachfähigkeit. Wenn die Sprache der Aggression und der Ausgrenzung ins Spiel käme, sei der Dialog in Gefahr. Das zeige die aktuelle Situation in der Ukraine besonders deutlich.
Hanna Suchocka beendete ihre Dankesrede optimistisch: Auch wenn es in der heutigen Zeit als schwierige Herausforderung erscheinen möge: Zwischen egoistischer Gleichgültigkeit und gewaltsamem Protest sei der Dialog für sie auch heute immer eine Option.
Stehende Ovationen zollten die Anwesenden der überzeugenden Europäerin.