MITBEGRÜNDER
In der Geschichte der Fokolar-Bewegung gibt es – neben Chiara Lubich – drei Personen, von denen für die gesamte Bewegung prägende Impulse ausgingen. Gemeinsam mit dem Poltiker und Publizisten Igino Giordani (1896 -1981) und dem Theologen Pasquale Foresi (1939-2015) ist auch Bischof Klaus Hemmerle (1929-1994) eine dieser Gestalten.
KONFUZIUS
Hemmerle hat im Laufe seines Lebens ein besonderes Verhältnis zum „Nichts“ entwickelt. Gern zitierte er ein chinesisches Gedicht von Konfuzius:
„Lehm stemmt man aus zur Wohnung.
Doch dort, wo die Wohnung nicht ist,
ist der Wohnung Sinn.
Ton formt man aus zum Becher.
Doch dort, wo der Becher nicht ist,
ist des Bechers Sinn.
Drum merke: das Nichts macht alles aus.“
DUNKLE NACHT
Wegweisend für ihn war der Abend des 27. November 1944. Das Zentrum von Freiburg wird durch einen Bombenangriff nahezu komplett zerstört. Auch das Haus seiner Eltern geriet in Flammen. Gemeinsam mit seinen Eltern musste Hemmerle mit ansehen, wie alles, was ihnen lieb war und ihr Leben prägte, verbrannte. Er hatte einen Erzählband vor den Flammen gerettet. Es trug den Titel: „Die dunkle Nacht“ und beschäftigte sich mit dem Wirken des spanischen Mystikers Johannes vom Kreuz (1542-1591). Autor war der deutsche Schriftsteller Reinhold Schneider (1903-1958).
Klaus Hemmerle war da 15 Jahre alt. Sein bisheriges Leben war gespannt zwischen Traum und Trauma. Hemmerle beschrieb das so: "Der Traum: das Schöne, das mich anschien aus den Bildern, die Vater mir erschloss beim Gang in die Museen, in das Münster, beim Anschauen der Kunstbände und bei der Zeugenschaft, wie ein Bild entsteht, das Schöne, das mich anwehte, wenn ich mit den Eltern an schönen Sonntagen durch den Schwarzwald wanderte, das Schöne, das in mich selber eindrang, wenn ich mit meinem Onkel, der Musiker war, und meinem Vetter, der wie ein Bruder war und 1944 18-jährig fiel, Musik hörte oder selber musizierte. Das Erschrecken: die Schrecklichkeiten und Unmenschlichkeiten des Krieges und des nationalsozialistischen Regimes, über die mich schon sehr früh in schonungsloser Deutlichkeit die Eltern informierten. Auf der einen Seite etwas Unzerstörbares – auf der anderen Seite die Zerstörung der Werte und Kräfte, die Zukunft ermöglichen.“
In diese Spannung hinein traf Hemmerle die Botschaft Reinhold Schneiders. Es war – so Hemmerle - „das lebendige Zeugnis eines Menschen, der im Betroffen Sein vom Kreuz die beiden Pole miteinander verband, dem Schrecklichen ins Auge schauend, aber auch jener Liebe, die das Schreckliche annimmt, trägt und verwandelt.“ Seit Kindertagen begleitete Hemmerle der Wunsch, katholischer Priester zu werden. Nach den Zerstörungen dieser Nacht wurde dies „ein Wille. Hatte ich nicht etwas erfahren, das ich weitergeben sollte?“
BEGEGNUNG MIT DEM FOKOLAR
Im Sommer 1958 – er war seit sechs Jahren als katholischer Priester tätig – reiste er von Freiburg im Breisgau in die Dolomiten - genauer nach Fiera di Primiero nahe Trient. Dort fand ein Sommertreffen statt, zu dem Menschen aus aller Welt gekommen waren, um die Fokolar-Bewegung kennenzulernen. Klaus Hemmerle erinnert sich: „Hier wurde in einer neuen und unmittelbaren Weise versucht, die biblische Botschaft von der Liebe zur Grundlage eines buchstäblich gelebten Christentums werden zu lassen ... . Zum ersten Mal habe ich da Gott wirklich erfahren.“
Sein ganz spezifischer Beitrag zur Fokolar-Bewegung hat zwei Schwerpunkte: Er gab zum einen den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung einer eigenen Theologie, die der Fokolar-Spiritualität zugrunde liegt. Er nahm regelmäßig an den Sitzungen des durch ihn mitbegründeten interdisziplinären Studienzentrums „Schule Abba“ teil. Zum anderen brachte er eine weltweite ökumenische Weggemeinschaft mit Bischöfen unterschiedlicher Nationalitäten und Konfessionen auf den Weg, die sich an der Spiritualität der Fokolar-Bewegung orientieren.
KLAUS-HEMMERLE-PREIS
Die Fokolar-Bewegung in Deutschland hat zum zehnjährigen Todestag von Klaus Hemmerle 2004 einen Preis gestiftet, mit dem sie alle zwei Jahre Personen ehrt, die sich im Sinne des Aachener Bischofs als Brückenbauer ausgezeichnet haben und sich für den Dialog zwischen Kirchen, Religionen und Weltanschauungen engagieren.
Bisherige Preisträger:
2004: Ernst Ludwig Ehrlich, deutsch-Schweizer Judaist
2006: Christian Krause, ehemaliger Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche
2008: BartholomäusI., Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel
2010: Alfons Nossol, emeritierter Erzbischof von Oppeln/Polen
2012: Hans Maier, ehemaliger bayerischer Kultusminister und langjähriger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
2014: Ruth Pfau, Lepra-Ärztin in Pakistan
2016: Noorjehan Abdul Majid, mosambikanische Ärztin für das AIDS-Behandlungsprogramm DREAM
2018: Henry G. Brandt, Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg
2020: Anastasios Yannoulatos, Erzbischof von Tirana, Durrës und ganz Albanien und Oberhaupt der autokephalen orthodoxen Kirche von Albanien
2022: Hannah Suchocka, ehemalige polnische Premierministerin
2024: Kardinal Michael Czerny SJ, Präfekt des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen