Wort des Lebens für Januar 2026

„Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung“ 
(Epheser 4,4)


            Unsere Gesellschaft polarisiert sich. So heißt es wenigstens und das nicht ohne Grund. Zusammenhalt wird vermeintlich schwächer. Es bilden sich vermehrt Gruppen, die einander scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen; es kommt zu Beschimpfungen, Anfeindungen und manchmal sogar zu Gewalt. Über Medien und digitale Plattformen bekommen manche Ansichten und Gruppen eine große Reichweite; in der Anonymität wächst die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten.

            Solche Polarisierungen betreffen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Gemeinschaft der Christen, die Kirche.


            Ihr seid zur Einheit berufen.


            Schon die Briefe im Neuen Testament weisen auf diese Gefahr hin. Immer wieder finden sich Mahnungen zur Einheit. So auch im Brief an die Gemeinde von Ephesus, aus dem das „Wort des Lebens“ genommen ist. Der Schreiber verankert die Einheit in der Mitte des Glaubens. Was Christinnen und Christen verbindet, bringt er im Vers 5 so auf den Punkt: „ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.“ Als Kirche - so gibt er der Gemeinde zu verstehen - seid ihr also ein Leib und ihr seid von demselben Geist beseelt. Dazu kommt, dass ihr eine gemeinsame Hoffnung habt, die euch verbindet.


            Um die Einheit der Kirche


            „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung.“ Mit diesem Satz übernimmt das „Wort des Lebens“ das Motto der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. In vielen christlichen Kirchen wird in dieser Woche (vom 18. bis 25. Januar) um die sichtbare Einheit der Kirche gebetet.

            Zugleich werden wir damit an den Skandal der Spaltung erinnert. Wir haben uns an die Ökumene gewöhnt und leider auch an die Trennung der christlichen Kirchen - ausgerechnet in einer Religion, für die Einheit zu ihrem Wesen gehört! Und manchmal sieht es auch heute so aus, als ob die Kräfte, die auseinandertreiben, stärker sind als die Kräfte, die zusammenführen. 

            Natürlich haben alle recht, die daran erinnern, dass die Einheit der Kirche nicht Ergebnis eines billigen Kompromisses sein darf. Aber das darf uns nicht daran hindern, in allen Getauften Schwestern und Brüder zu sehen, die von dem einen Glauben und der einen Hoffnung auf Gott geprägt und getragen sind, der uns in Christus entgegengekommen ist. Wir alle vertrauen auf den Geist Gottes, der uns belebt und ein Geist der Liebe und damit der Einheit ist.


            Die Einheit suchen – mit langem Atem


            „Wort des Lebens“ nennen wir den Satz aus der Heiligen Schrift, der uns jeden Monat vorgeschlagen wird, damit wir ihn in unser Leben hineinnehmen. Wie kann das im Januar 2026 aussehen? Vielleicht können wir uns zunächst fragen:

  • Lebt in mir das Bewusstsein, zur Einheit berufen zu sein?
  • Was kann ich von Gott erbitten, damit es gestärkt wird?
  • Was ist für mich die „eine Hoffnung“, von der die Rede ist?


            Sich für die Einheit in unserem Umfeld einsetzen, beginnt meiner Meinung nach mit einer achtsamen Sprache: nicht durch markige Sprüche auffallen, kein „heiliger Zorn“. Es bedeutet, nicht in erster Linie auf die Unterschiede oder Gegensätze achten, sondern das Verbindende suchen und ansprechen. Und: Unterschiedliche Überzeugungen und Meinungen nicht als Grund sehen, den anderen als Gegner zu betrachten.

            Die Mühe um Einheit braucht Kreativität und Mut - gerade dann, wenn wir unsere eigene Überzeugung nicht einfach aufgeben. Manchmal mag es verlockend sein, sich in die Gruppe Gleichgesinnter - wie man heute sagt: in die eigene „Bubble“ oder „Blase“ - zurückzuziehen. Aber die Mühe um Einheit braucht auch die Bereitschaft, uns in unserer Verschiedenheit auszuhalten. Es geht dabei ja nicht immer gleich um Fragen der Rechtgläubigkeit. Menschliches Entgegenkommen ist auf jeden Fall hilfreich, wenn es darum geht, Brücken zu bauen.

            Und bei allem Mühen dürfen wir wissen: Wir sind zur Hoffnung berufen - sie kann uns einen langen Atem geben.

Bernhard Körner, Graz

 

 

 

                © Alle Rechte an der deutschen Übersetzung beim Verlag NEUE STADT, München

                Das „Wort des Lebens“ erscheint auch in der Zeitschrift NEUE STADT. Eine kostenlose Probenummer oder ein Abonnement (jährlich € 49,- bzw. CHF 66.90) können Sie bestellen bei: Redaktion NEUE STADT, Hainbuchenstraße 4, 86316 Friedberg, redaktion@neuestadt.com oder bei Verlag Neue Stadt, Heidengasse 5, 6340 Baar, verlag@neuestadt.ch