Was ist geistlicher Missbrauch?

In vielen Gruppen und Gemeinschaften gibt es Personen, die leiten und Verantwortung tragen. Damit haben diese Personen Macht und Einfluss, die sie zum Guten einsetzen, aber auch missbrauchen können. Das gilt in der Seelsorge, aber auch in Familie und Partnerschaft, in der Schule oder in einer Therapie. Für Missbrauch anfällig sind alle Beziehungen zwischen einer übergeordneten, vorgesetzten Person und einer untergeordneten Person oder Personengruppe. Missbrauchsgefährdet sind auch alle Beziehungen, in denen eine Person oder Gruppe Rat, Weisung oder Hilfe sucht – und die andere Seite Rat, Weisung oder Hilfe gibt.  Solche Konstellationen erfordern von Führungspersonen, Gruppenleitern und -leiterinnen, Geistlichen, geistlichen Begleitern und Begleiterinnen ein selbstkritisches Bewusstsein und ein Bewusstsein für ihre besondere Verantwortung.
«Geistlicher» Missbrauch findet im religiösen Umfeld statt und beginnt dort, wo jemand einen Menschen, der von ihm Wegweisung erwartet, stattdessen mithilfe biblischer Aussagen, theologischer Inhalte oder spiritueller Praktiken manipuliert und unter Druck setzt. Der Missbrauch kann nicht nur von Einzelnen, sondern auch von ganzen Gemeinschaften ausgehen. Statt in eine befreiende und erfüllende Beziehung mit Gott wird die missbrauchte Person damit in die Irre, in die Enge und Isolierung geführt. Die Folge davon sind Abhängigkeit und Unterdrückung statt Befreiung und Eigenständigkeit, bis hin zu schweren Schädigungen der psychischen und physischen Gesundheit der Betroffenen. Geistlicher Missbrauch ist eine Form von Machtmissbrauch, weil die Täter ihre Rollen oder Aufgaben ausnutzen, um Grenzen zu überschreiten, ohne dass sich Betroffene dagegen wehren können.

Siehe auch:
 

Sr. Katharina Kluitmann ODF: Was ist geistlicher Missbrauch? Grenzen, Formen, Alarmsignale, Hilfen (mit weiterführenden Literaturangaben)
Dr. Bernhard Deister: Diener Eurer Freude - Prävention von geistl. Missbrauch in Bewegungen - in: Korrespondenz zur Spiritualität von Exerzitien, Jg. 69, Heft 114, S. 57-64