Die Erfindung des Lebens beschreibt den eigenen Lebenskrimi des Autors. Hanns-Josef Ortheil nimmt den Leser mit hinein in seine Kindheit, in die Enge des Alltags neben der stummen Mutter, die er über alles liebt und des lebensfrohen Vaters, der ihm die Welt erschließt. Die Eltern verloren vier Kinder im Krieg. Dies ließ die Mutter verstummen und ihren nun einzigen letzten Sohn umklammern, der ebenso verstummt. Der Loslösungsprozess schenkt dem Jungen die Sprache zurück und lässt ihn die Welt auf die ihm eigene Weise erschließen. Seine erste Ausdrucksweise ist das Klavierspielen und mit großer Begabung und Begeisterung beginnt er eine steile Karriere als Pianist, die dann jäh in Rom endet. Erst dann entdeckt er seine Fähigkeiten zum Schreiben. Ortheil erlebt viele Niederlagen. Beim Schreiben in Rom ordnet er seine Beziehungsmuster und beginnt sein Leben dort neu.
Mich begeisterte dieses Buch, da es sehr rührend beschreibt, wie der Vater beginnt seinen Sohn zu verstehen, ihn nach schulischen Problemen selbst unterrichtet und sehr empathisch einen Zugang findet zum Lernstil seines Sohnes. Er ermöglicht ihm, sich aus der Umklammerung der Mutter zu befreien, ohne diese zu verletzen. Auch gefällt mir der schlichte geerdete Glaube des Vaters, der zum Beispiel am Grab seines vierten Sohnes den Psalm "Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen" betet. Zudem zeigt dieser Roman ein Lebensbild, das so gar nicht der Norm entspricht und doch superspannend ist.
Viel Spaß beim Lesen!
Ute Ganserer
Oetheil wurde 1951 in Köln geboren; lebt jetzt in Stuttgart als Schriftsteller und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Uni Hildesheim. Er zähllt zu den bedeutesten deutschen Schriftstellern der Gegenwart, dessen Werke mit diversen Preisen ausgezeichnet und in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurden.
Das Buch erschien 2009 im Btb-Verlag, 589 Seiten, ISBN-13: 9783442739783, ab 12 Euro, (auch als Hörbuch erhältlich).