Politik und Geschwisterlichkeit – unmöglich?

Das Stichwort Politik weckt aktuell eher negative Gefühle: Kriege, Machtgehabe, Autoritarismus... doch es gibt sie noch, die Menschen, die Politik und Geschwisterlichkeit zusammenbringen wollen.

Politik als Höchstform der Liebe

Das Forum von Solingen bietet einen Raum für Begegnung, Dialog und der Aktion, parteiübergreifend und parteiunabhängig, für Bürgerinnen, politisch Engagierte, Kommunalpolitiker und Berufspolitikerinnen. Bei einer Tour nach Brüssel lernt die Gruppe z.B. die politische Arbeitsweise der Europäischen Union kennen; oder zum Thema «Migration, Einreisestopp – Zurückweisung – Abschiebung…???» veranstaltet das Forum einen Infoabend mit dem Beigeordneten der Stadt Solingen für Recht, Ordnung und Soziales. Beziehungspflege mit politisch Aktiven ist ebenso wichtig: «Wir suchen das Gespräch mit Politikern, signalisieren ihnen unsere Nähe, den Wunsch zum Dialog», so Hertwich. Das sei keine Einbahnstrasse, denn natürlich gehöre dazu auch, die Erfahrungen des Solinger Forums an die Politiker weiterzugeben.

Demokratische Rechte wahrnehmen
Besinnung unter der Bundeskuppel

Regelmäßig findet während der Sessionen des Eidgenössischen Parlaments jeweils am Mittwoch eine kurze Morgenbetrachtung statt, seit rund 40 Jahren. Die Idee hatte damals Nationalrat Otto Zwygart, der seinen Freund, den reformierten Pfarrer Jörg Gutzwiller dazu mit ins Boot holte, und dieser wiederum fragte den Sprecher der Schweizerischen Katholischen Bischofskonferenz, Hans-Peter Röthlin an, ein Mitglied der Fokolar-Bewegung. Seither wird die «Besinnung unter der Bundeskuppel» in wechselnden ökumenischen Teams gehalten, bis heute mit Beteiligung der Fokolar-Bewegung, aktuell in der Person von Michelle Grandjean Böhm. «Es ist ein kurzer Moment mit ein paar Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Es ist wertvoll, an diesem Ort Gottes Gegenwart herbeizurufen und um gute politische Entscheidungen zu beten», sagt sie.

Eine Welle unendlicher Inspiration

«Ich träume davon, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht mehr ihre persönlichen Interessen vertreten, sondern die jene der Bevölkerung, zum Wohle von möglichst vielen!», sagte Marie-Josée Reuse, Mitglied im Walliser Grossen Rat (Kantonsparlament) an der Tagung im Februar in Martigny. Sie ist überzeugt: auch wenn die Anstrengungen geschwisterlicher Politik wie ein Tropfen im Ozean wirken, so können diese trotzdem viel bewirken. Sie zitiert Jackline, eine junge Politikerin aus Kenia: «Unabhängig davon, vor welcher Herausforderung Sie stehen, sollten Sie sich bewusst sein, dass schon das Wenige, das Sie zu einer Lösung beitragen können, eine Welle unendlicher Inspiration auslöst, und genau das braucht die Welt im 21. Jahrhundert.»

Beatrix Ledergerber