In schwierigen Zeiten glücklich sein?

Die Schweizerin Susanne Ganarin hat sich intensiv mit der Frage nach dem Glück beschäftigt. Die Germanistin und Lehrerin gibt im Interview mit Beatrix Ledergerber Einblicke in jüngste Erkenntnisse der Glücksforschung und offenbart verblüffend einfache Wege, um glücklich zu sein.

Ist es nicht etwas deplatziert, wenn man sich in Zeiten wie diesen um sein eigenes Glück kümmert? 

Ich darf mich trotzdem um mein Glück kümmern, denn es nützt niemandem, wenn es mir nicht gut geht. Weder den Menschen in der Ukraine, dem Nahen Osten oder im Kongo. Am allerwenigsten hilft es den Menschen in meiner Umgebung, wenn ich den Kopf hängen lasse. 

Wie kann ich mir erlauben, froh zu sein, wenn es anderen schlecht geht? 

Man muss unterscheiden zwischen einem oberflächlichen Glücklich-sein und einem tiefen, inneren Glücksgefühl. Menschen sind dann glücklich – so sagt es die Glücksforschung – wenn sie unter anderem dafür schauen, dass es den Menschen um sie herum gut geht. Wenn ich also mit offenen Augen und offenem Herzen durchs Leben gehe und sehe, wenn jemand neben mir meine Nähe und Aufmerksamkeit braucht, dann geht es uns beiden besser. 

 

Dann haben wir hier bei uns eine «heile Welt», aber in den Krisengebieten wird es dadurch nicht besser... 

Nicht jede und jeder von uns kann direkt auf globale Krisenherde einwirken. Doch wir wissen nie, wo die «Wellen der Liebe» ankommen. Wenn wir an der Weltsituation verzweifeln, verlieren wir den Blick für die Menschen um uns. Wenn wir im Kleinen, an dem Ort, wo wir sind, unseren Teil tun, das Puzzleteil ernst nehmen, das nur wir beitragen können, dann wirkt das positiv auf unsere Umgebung und darüber hinaus. Als Christin ist mir auch das Gebet wichtig, mit dem ich Menschen nahe sein kann, dort wo ich konkret nichts tun kann. 

Konkret: Was hilft -  und was nicht - zum inneren Glück? 

Ein verlässlicher «Glückskiller» ist, sich mit anderen zu vergleichen. Du findest immer jemanden, der erfolgreicher, tüchtiger, schöner oder klüger ist als du. Was jedoch hilft, das zeigen die Resultate der Glücksforschung: Beziehungen pflegen, gut eingebunden sein in ein soziales Netz, einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen und hohe Ziele haben – nicht im Sinn von Leistung, sondern von Werten. Zum Beispiel die Goldene Regel: Behandle andere so, wie du selber behandelt werden möchtest. 

Und wenn man auf Schwierigkeiten stösst? 

Bei Problemen, persönlichen Herausforderungen und schmerzlichen Situationen gilt es, diese erst einmal anzunehmen. Auch die schwierige Weltlage: annehmen, dass es so ist und ich nichts machen kann. Aber dann nicht dabei stehen bleiben, sondern das tun, was ich im Rahmen meiner Möglichkeiten tun kann. Und das, was mir auch persönlich guttut: Wo komme ich in einen «Flow», in diese positive Stimmung, die Blockaden löst und vieles möglich macht? Im Zwischenmenschlichen sind ausserdem die Themen Verzeihen und Vergeben von zentraler Bedeutung. 

Gibt es Menschen, die von Natur aus glücklicher sind als andere? 

Eine Forschung hat untersucht, wie viel unsere Gene zum Glück beitragen. Laut dieser Studie sind dies etwa 50 Prozent. Die Umstände, unter denen wir leben, machen lediglich 10 Prozent aus. -Den Rest – 40 Prozent - haben wir also in der eigenen Hand. Das natürlich nur, wenn wir nicht direkt in einem Kriegsland leben und unsere Grundbedürfnisse erfüllt sind.  

Dann liegt vieles an der eigenen inneren Einstellung? 

Positiv denken ist schnell gesagt und wirkt auch oft oberflächlich. Es geht um eine innere Arbeit, dass ich den Blick schärfe für das Positive in meinem Leben und dafür dankbar bin. Weiter geht es darum zu lernen, konstruktiv mit Erfahrungen des Scheiterns umzugehen. Verzeihen können – anderen und sich selbst - sind da ganz wichtige Stichworte.  

Interview: Beatrix Ledergerber-Baumer 

Bildrechte

Auf dieser Seite verwendete Fotos: