Leinen los!, Segel setzen!, Land in Sicht! - Rund 100 Jugendliche begeben sich auf große Fahrt...
“Leinen los!”, “Segel setzen!”, “Land in Sicht!” - wer sich Anfang August diesen Jahres in das malerische Friedberg bei Augsburg verirrte, konnte schon aus der Ferne aus der Nähe des Begegnungszentrums Ottmaring laute Schreie aus den Kehlen von gut 100 Jugendlichen vernehmen. Junge Männer und Frauen, vornehmlich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kamen nach Bayern, um sich zu treffen, auszutauschen, fortzubilden und sich ihrer Identität bewusst zu werden. Bereits zum dritten Mal fand diese sogenannte „Rauszeit“ statt, eine Gelegenheit für Jugendliche, aus dem Alltag heraus zu kommen, sich auf andere Dinge als Studium und Arbeit zu konzentrieren und generell benötigten Stressabbau zu betreiben. Unter dem Motto #Wertvoll begab man sich auf eine Seereise: Der große Veranstaltungs-Saal wurde für eine metaphorische Seereise mit Mast, Bug, Heck und Segel versehen, das gesamte Begegnungszentrum mit Muscheln, Seereifen und Korallen geschmückt und auch das Programm auf die Seefahrt abgestimmt.
Über vier volle Tage hatten die Teilnehmenden Zeit, sich in Themenworkshops, Seminaren und Vorträgen von Experten zunächst selbst und als „Crew“ zu finden, zu lernen, mit „Stürmen“ konfrontiert zu werden, neue Kulturen und Horizonte kennen zu lernen und schließlich auch, wieder richtig im Alltag „anzulegen.“ Dazu gehörten zum Beispiel ein Workshop, der sich intensiv mit dem Thema „Identität und Sexualität“ befasste, ein professioneller Persönlichkeitstest, der Besuch einer Synagoge, Moschee und eines Flüchtlingscamps in Augsburg und auch ein über einen ganzen Tag geführtes kompliziertes politisches Planspiel. Vor allem für Letzteres begeisterten die Jugendlichen sichtlich und zeigten reges sozialpolitisches Interesse. Durchgespielt wurde eine EU-Ratssitzung zum Thema Flüchtlingsverteilung sowie eine Sitzung des Gemeinderates der fiktiven Gemeinde Seestadt zur konkreten Aufnahme von 100 neuen Flüchtlingen. Die Planspiele wurden von Experten entworfen und angeleitet.
Doch auch der Stressabbau sollte nicht zu kurz kommen. So wurden auch handwerkliche Workshops angeboten, vom Besuch eines Goldschmiedes bis zum Zimmern eines handlichen Stuhls. Auch trafen sich immer wieder Gruppen zum Volleyball- und Fussballspielen, Rauszeit als eine Kombination von weiterbildenden und entspannenden Elementen.
Wie schon in den Jahren zuvor kamen die Teilnehmer der Rauszeit bei weitem nicht nur aus Deutschland: Indien, Italien, Österreich, die Schweiz, selbst Indien waren vertreten, auch eine Gruppe von Flüchtlingen aus Augsburg wurde eingeladen und nahtlos in die Gemeinschaft integriert. Am letzten Morgen waren sich alle Teilnehmer einig: Die „Rauszeit“ hat sich wieder einmal durch große Offenheit, Attraktivität und programmtechnische Raffinesse ausgezeichnet. Die Teilnehmer durchgingen einen sehr schlauen Mix aus Input, eigener Mithilfe und Übernahme von Verantwortung und scheinbar ordinärem, aber dringend benötigtem Entspannen durch Musik, Kameradschaft und Unkompliziertheit. Wie immer wurde die Woche ausnahmslos vorbereitet von engagierten Jugendlichen, viele davon Mitglieder der Fokolarbewegung. Die jungen Frauen und Männer investierten viel Zeit und Geld, übernahmen mit Energie und Enthusiasmus Verantwortung. In einer Gesellschaft, in der das mangelnde Interesse der Jugend an gesellschaftspolitischen Fragestellungen oft angeprangert wird, sandten die knapp 100 teilnehmenden Jugendlichen damit ein wichtiges Signal und bewiesen, dass die junge Generation längst nicht in dieser Weise stereotypisiert werden kann. Ihr ist das Kielwasser noch lange nicht ausgegangen.
Ein Bericht von Yannik Sellmann