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Wer ist "der Fremde"?

Migration, unterschiedliche Kulturen und Religionen sind eine Ressource für die Zusammenarbeit in Europa. Diese Überzeugung teilten am Ende viele der rund 100 Teilnehmer am Hospiztag im ökumenischen Lebenszentrum Ottmaring.

„Wer ist „der Fremde“?“ Unter diesem Thema trafen sich haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in der Hospizarbeit.

Yasemin Günay berichtete in ihrem von Erfahrungen geprägten Vortrag, wie man Muslime auf ihrem letzten Lebensweg begleiten kann.  Es sei auch Christen erlaubt, einem Sterbenden das Glaubensbekenntnis ins Ohr zu flüstern, das ihm Frieden schenke, sollte er es selbst nicht mehr aussprechen können. Die muslimische Palliativschwester aus München, die in Deutschland geboren wurde, betonte: „Alles, was dein Herz dir eingibt, das tu. Selbst wenn es „falsch“ ist, macht das nichts; denn die Liebe und Zuwendung erreichen das Herz des Betroffenen und seiner ganzen Familie.“ 

Vincent Semenou, der ursprünglich aus Togo stammt, nahm sein Publikum mit nach Afrika. Der katholische Pastoralreferent für Altenseelsorge der Diözese Augsburg erläuterte mit viel Humor, großer Lebendigkeit und Fachwissen, wodurch sich ein Afrikaner in Deutschland beim Sterben „gut aufgehoben“ weiß. „Die 2000 Stämme in Afrika haben ihre eigenen Riten und Traditionen. Allen gemeinsam ist, dass die Großfamilie eine ganz entscheidende Rolle spielt.“

Die Bantu-Philosophie, so führte Vincent Semenou aus, gehe nicht vom „Ich denke, also bin ich“-Prinzip des Philosophen René Descartes aus. Zentraler Gedanke sei hier vielmehr „Ich lebe, weil wir sind“. Darum sei es für den Kranken ganz wichtig, „dass er mit allen versöhnt ist, bevor er stirbt.“ In der letzten Lebensphase sei es zudem wichtig für Menschen aus Afrika, dass sie begleitet würden von der Familie. Wenn es nicht jemand aus der Ursprungsfamilie sein könne, „dann wenigstens neue afrikanische Freunde“.

Die Tagung endete mit einer Bildbetrachtung über Engel-Darstellungen aus verschiedenen Kunstepochen und Kulturkreisen. Dabei bezog sich Kunsthistorikerin Edigna Schreml auf ein Wort des französischen Malers Marc Chagall (1887-1985): „Der Fremde, das ist der Mensch, hinter dem sich ein Engel verbergen könnte – falls man ihn bei sich aufnimmt.“