Gesten der Zärtlichkeit - Warum Solidarität heute zählt

Solidarisches Handeln ist nicht selbstverständlich. Und doch ist es heute wichtiger denn je. Wer sich mit der Verteilung von Armut und Reichtum beschäftigt, kann mutlos, aufgebracht oder kämpferisch daraus hervorgehen. Gerecht geht es auf unserer Welt nicht zu: Die reichsten zehn Prozent besitzen vier Fünftel des Vermögens, während 700 Millionen Menschen mit weniger als 2,15 Dollar am Tag leben. Auch bei uns wächst die Kluft. In Deutschland ist jeder Fünfte von Armut oder Ausgrenzung bedroht – bei gleichzeitig steigender Zahl an Milliardärinnen und Milloardären.

Vieles spricht dafür, dass Solidarität abnimmt. Und doch zeigen Spendenaktionen ein anderes Bild: „Ein Herz für Kinder“ sammelte 2024 über 23 Millionen Euro an einem Abend, die „Sternstunden“ 25,5 Millionen im Lauf des Jahres. Auch kirchliche Hilfswerke in Deutschland berichten von wachsenden Spendeneinnahmen. Neben ihrer Projektarbeit fordern sie, dass durch konkrete Maßnahmen – wie etwa eine Milliardärssteuer – gerechte Strukturen geschaffen werden.

Die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli nennt Solidarität „die Zärtlichkeit der Völker“. Ein schönes Bild – und übertragbar auf unser Miteinander. Wir sind Beziehungswesen. Je mehr wir um diese Verbundenheit wissen, desto größer ist die Bereitschaft, füreinander einzustehen. Solidarität widerspricht Nationalismus, Eigennutz und Individualismus. Sie bedeutet, aufeinander Rücksicht zu nehmen, Hilfe zu geben und sie anzunehmen.

Wer von den Anfängen der Fokolar-Bewegung während des Zweiten Weltkriegs hört, ist oft berührt vom Mut jener jungen Frauen in Trient. Sie erfuhren Gott als liebenden Vater und gaben, was sie hatten – Eier, Schuhe, Kartoffeln, Geld. Gesten der Zärtlichkeit in einer gebeutelten Zeit.

Ihr Leben nach dem Evangelium setzte einen Kreislauf des Gebens und Empfangens in Gang. Eine Erfahrung, die sich auch heute wiederholen kann. Sicher, geben aus Liebe ist immer auch ein Akt des Vertrauens – aber manchmal die zärtlichste Form, Gott zu erfahren.

Dies ist ein gekürzter und bearbeiteter Beitrag aus der Zeitschrift NEUE STADT, die sich in ihrer November/Dezember-Ausgabe mit dem Thema „Weltweit solidarisch“ beschäftigt. Möchten Sie auch die weiteren Beiträge lesen? Dann können Sie HIER ein Probe-Heft anfordern oder das Magazin NEUE STADT abonnieren.