Die Fokolar-Bewegung in England auf Standpunkt-Suche im britischen Polit-Wirrwarr
Uns erreichte eine Stellungnahme der Fokolare in England, die wir hier in Auszügen widergeben. Die ungekürzte englische Fassung ist auf der britischen Homepage zu finden.
Niemand konnte sich vorstellen, dass ein Land quasi über Nacht dermaßen in Aufruhr versetzt werden konnte. Die Menschen wachten am Morgen nach der Abstimmung auf, hörten die Nachrichten und dachten, sie träumen. Für fast die Hälfte von ihnen war es allerdings ein Alptraum.
Es folgten Tage der Ungewissheit, überall Schuldzuweisungen: Nicht nur in der Politik, auch an den Arbeitsplätzen, in den Medien, selbst in den Familien. Statistiken über die Abstimmung schienen eine ganze Nation zu spalten: Nach Region, Alter, Bildung und Einkommen. Ein signifikanter Anstieg rassistischer und fremdenfeindlicher Vorfälle war zu beobachten.
Diejenigen, die aus ethischen Gründen für ein Verlassen der EU gestimmt hatten, fühlen sich kompromittiert von denen, die die gleiche Überzeugung mit einer Sprache des Hasses und des Egoismus vertraten. Wir können nicht die Tatsache ignorieren, dass Millionen von Bürgern dieses Landes spüren, dass sie keine Stimme haben und ihre wirtschaftliche Situation für die Zukunft wenig Hoffnung verspricht.
Wie reagieren wir? Natürlich gibt es keine offizielle politische "Fokolar-Linie" in der EU-Debatte, aber das Wort des Lebens vom Juni "Haltet Frieden untereinander", kann ein Ausgangspunkt sein: Es ermutigt uns, Beziehungenzu knüpfen, zuzuhören... Wir wollen das Charismas der Einheit in die Tat umsetzen, wo immer wir sind. Die Statistiken können uns in Schubladen stecken – die Alten, die Reichen, die Elitären, die Armen - aber die Einheit ist kein abstrakter Dialog. Sie ist in erster Linie "eine Begegnung mit Menschen, mit Brüdern und Schwestern, die es zu lieben gilt", sagt Fokolar-Präsident Maria Voce.
Aus den Krisengebieten der Welt hören wir immer wieder Erfahrungsberichte über nahezu heroische Versöhnungsgesten von Menschen, die sich bemühen, das Evangelium zu leben. Und jetzt sind wir in Großbritannien ebenfalls gefragt: Wir stehen vor der Herausforderung, denen zuzuhören und mit denen Frieden aufzubauen, mit deren Überzeugung wir absolut nicht einverstanden sind.
Wir haben uns entschieden, nicht den leichten Weg zu gehen. Wir suchen nach Wegen, unsere Gesellschaft gemeinsam wieder aufzubauen. Wie das gehen soll, das ist noch nicht klar, aber zunächst gibt es immer einen Nächsten, den man lieben kann.
Auch wenn wir in den vergangenen Tagen viele hasserfüllte Worte gehört haben, so ist es andererseits möglich geworden, offen über Liebe und Geschwisterlichkeit in politischen Kontexten zu sprechen, was nicht zuletzt Jo Cox zu verdanken ist. Wir sind alle herausgefordert zu entscheiden, ob wir für uns selbst oder für andere leben wollen. Eine ehrliche Antwort darauf könnte den nötigen Wandel in der Mentalität bringen, der (auf Fels und nicht auf Sand) das wieder aufbaut, was das Referendum zum Einsturz gebracht hat.