Während ich diese Zeilen schreibe, ist die Fahr-Crew von «Engagiert mit Herz» unterwegs Richtung Ukraine – seit Beginn des Krieges zum 22. Mal.
Neun Fahrerinnen und Fahrer, darunter mein Mann, unsere Tochter und ihr Partner, haben gestern die gut 1300 Kilometer bis zum Umladeplatz an der ukrainischen Grenze unter die Räder genommen. Gestartet sind sie in Grosswangen (Luzern) bzw. Wädenswil (Zürich) mit vier Kastenwagen, beladen mit 4,2 Tonnen Hilfsgüter. Arzneimittel und medizinische Geräte, Hygiene- und Baby-Artikel, Generatoren, auch Werkzeug für die Instandsetzung zerbombter Häuser, Decken und Taschenlampen. Abwechslungsweise fahren sie durch die Nacht bis zum Umladeplatz an der Grenze zur Ukraine, wo sie auf unsere Partner treffen, griechisch-katholische Priester mit ihrem Team. Diese laden alles in ihre Autos und bringen es anschliessend in Spitäler und bis an die Front, wo die grösste Not herrscht.
Angefangen hat alles am Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Am 22. Februar 2022 hörte meine Schwägerin Rita Brusa frühmorgens im Radio die Nachricht. Spontan wusste sie: «Da muss ich handeln.» Zusammen mit Tochter Antonia und einem kleinen Team fuhr sie mit Hilfsmitteln vollgepackte Busse mehrmals an die ukrainische Grenze und nahm auf der Rückreise Menschen auf der Flucht mit in die Schweiz. Mit der Zeit entwickelte sich aus den spontanen Aktionen ein kleines Hilfswerk, das seit einem Jahr auch als Verein organisiert ist. Dank einem ukrainischen Priester in Zürich, den ich durch meinem Beruf als Redaktorin kennen gelernt hatte, entstanden intensive Kontakte zum Bistum Ushgorod. Die dort lebenden engagierten Priester und ihre Familien und Freunde organisieren und garantieren die Verteilung der Güter. Immer wieder bekommen wir Fotos, die uns zeigen, wo die Hilfe angekommen ist. So sagen uns auch, was genau benötigt wird. Darüber hinaus sind tiefe Freundschaften entstanden. Schon zweimal haben Rita und Antonia Brusa mit ihren Partnern die vier griechisch-katholischen Priester besucht und vor Ort die Weiterverteilung der Hilfsgüter miterlebt. Im Herbst haben – wie schon letztes Jahr - mehrere Gruppen von Helfenden insgesamt 1300 Weihnachtsgeschenke zusammengestellt und verpackt, um ein Zeichen von Freundschaft und Hoffnung zu geben.
Viele der Hilfsgüter kommen über Privatpersonen zu uns. Rita und Antonia schreiben aber auch Firmen an, die Güter spenden oder verbilligt abgeben. Viele Menschen unterstützen die Hilfe finanziell, so dass notwendiges Material auch eingekauft werden kann.
Wie alle, die bei «Engagiert mit Herz» mithelfen, Güter oder Geld sammeln, verpacken, transportieren, die Website gestalten oder was es sonst noch so alles zu tun gibt, erlebe ich: in all der Ohnmacht gegenüber Gewalt und Krieg an so vielen Orten unserer Welt entsteht neue Hoffnung, wenn wir konkret handeln. Unsere Nichte Antonia hat lange nach einer sinnvollen Aufgabe gesucht. Nun investiert sie viel Zeit und Herzblut in die Ukraine-Hilfe. Es erfüllt sie mit Freude und Stolz, was sie zusammen mit ihrem Partner Severin Erb, ihrer Mutter und vielen weiteren Menschen bewegen kann. Die regelmässigen Kontakte und Begegnungen sind auch für Rita Brusa der Motor für ihr unermüdliches Engagement. Überzeugt hält sie fest: «Etwas Gutes zu tun ist einfach. Man muss einfach damit anfangen.»
Gerade kommen die Fotos von der Güter-Übergabe an. Fünfzehn von innen leuchtende Gesichter von Menschen aus der Schweiz und ihren Freunden aus der Ukraine, verbunden im Einsatz für jene, die am meisten leiden.
Beatrix Ledergerber-Baumer