„Alle Blumen beachten“ war der ungewöhnliche Titel einer theologischen und interkulturellen Bildungsveranstaltung in Innsbruck: Eine Kooperation der Innsbrucker Theologischen Fakultät und einem Gesprächskreis von Christen, Muslimen und Marxisten, die sicher der Spiritualität der Fokolar-Bewegung verbunden fühlen. Vom 9.-11. September tagten etwa 100 Teilnehmende in Präsenz und etwa 150 online Zugeschaltete in ganz Europa und bis nach Lima in Peru.
„Alle Blumen beachten" ist der Anfang eines charakteristischen Textes von Chiara Lubich. Es handelt sich um eine Passage in einer poetischen, nicht leicht verständlichen Sprache, die im Sommer 1949, inmitten einer Erfahrung, die man nur als mystisch bezeichnen kann, geschrieben wurde.
In den vergangenen Jahren hat sich eine Gruppe von Theologinnen und Theologen der Universität Innsbruck, des Studienzentrums und des Zentrums für interreligiösen Dialog der Fokolar-Bewegung zusammen mit einer Gruppe muslimischer Theologinnen und Theologen unterschiedlicher Herkunft mit dieser Passage beschäftigt, sie meditiert, studiert und reflektiert.
Bei der Tagung brachte sich auch eine marxistisch-katholische Studiengruppe ein, die seit geraumer Zeit über gemeinsame Themen im Bereich der Sozialethik nachdenkt und dem Wunsch nach einer weltweiten Geschwisterlichkeit verbunden ist.
Auf eine theologische Hinführung zur titelgebenden Passage - ein wahrhaft meisterhafter Beitrag des aus der Schweiz stammenden evangelischen Theologen Stefan Tobler - folgten Reflexionen von Margareta Gruber OSF, Petra Steinmaier-Pösl, Roman Siebenrock, Wolfgang Palaver. In den Gesprächsrunden wurden Erfahrungen intellektueller und spiritueller Gemeinschaft sichtbar, die diese Studiengruppe seit Jahren lebt. Beim Podium zum Thema «Das Charisma der Einheit: Impulse für die interreligiöse Begegnung», präsentierten Hélène Rey und Hasan Hatipoglu aus der Schweiz ihre Erfahrungen und Einsichten.
Darüber hinaus bot die Anwesenheit von Katholiken, Reformierten, Marxisten und Muslimen einen bemerkenswerten Querschnitt von Denkschulen, akademischen, aber auch kulturellen und religiösen Sensibilitäten, was in der heutigen Welt der starken Polarisierungen selbst bei kulturellen Veranstaltungen und im Hochschulbereich nicht leicht zu finden ist.
Musikalisch-künstlerische Meditation
Durchaus als Ergänzung der Thematik erwies sich eine kulturell-musikalisch-meditative Veranstaltung am Abend des zweiten Tages in der Jesuitenkirche Innsbruck, konzipiert von Judith Hamberger mit Texten von Rainer Maria Rilke, Chiara Lubich, Madeleine Delbrêl, Karl Rahner, Papst Franziskus, Pablo Picasso u.a. Untermalt wurden die tiefen und berührenden Texte vom Resonanzquartett Linz mit Musik von alten und neuen Meistern.
Der gesamte Fundus von Überlegungen, Erfahrungen und Erkenntnissen, die an der Innsbrucker Tagung aufschienen, dient nun in der Fortsetzung des Projekts als Hintergrundmaterial für eine weitere kreative Phase, um das Gedankengut und wichtige Texte der Fokolar-Gründerin Chiara Lubich zu vertiefen, die im vergangenen Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte.
Fotos: Nico Tros, Armin Inglin, Textbearbeitung: Gusti Oggenfuss, Beatrix Ledergerber. Auszugsweise entnommen aus dem Blog von Roberto Catalano:
https://whydontwedialogue.blogspot.com/2021/09/guardare-tutti-i-fiori-cristiani.html