Glocalcity - Dialog zwischen Europa und Lateinamerika
60% der Bevölkerung lebt in Städten - Städte haben eine entscheidende Rolle in der Entwicklung unserer Gesellschaft: Hier begegnen sich Menschen unterschiedlicher Kulturhintergründe, verschiedener sozialer Schichten, tragen ihre Konflikte aus, sind mit Fremdem und gut Vertrautem konfrontiert. Unsere Städte bilden den Hintergrund, auf dem Menschen sich messen, sich entwickeln und heranreifen.
om 14. Juli bis 02. August 2010 trafen sich die etwa 50 Jugendlichen aus 10 Ländern (5 aus Europa, 5 aus Südamerika), in Brasilien.
Knapp drei Wochen lang hatten sie Zeit, einander kennen zu lernen, die eigenen Projekte, die sie im letzten Jahr entwickelt und durchgeführt hatten, vorzustellen und Einblick in verschiedene Sozialprojekte in Brasilien zu bekommen.
Auf dem Programm standen sowohl Kultur-Ausflüge nach Recife und Sao Paolo, Besuche bei Projekten mit Kindern und Jugendlichen, Mitarbeit in kleinen Betrieben, die zur sozialen Unterstützung und Eingliederung von Jugendlichen dienen und ein Abschluss-Kongress, auf dem Zeit und Raum war, sich über die gesammelten Erfahrungen auszutauschen und Pläne für die Zukunft zu schmieden.
Auf www.geeintewelt.de findet sich ein Tagebuch der deutschen Gruppe mit einigen Fotos und unter www.focolare.org ein kleiner Bericht aus italienischer Sicht.
Beispielhaft stellen wir hier zwei Projekte vor, in denen einige Jugendliche aus Europa in den drei Wochen mitarbeiten konnten:
Jardim Margarida:
Das Projekt stellt für die Kinder und Jugendlichen des Stadtteils einen Anlaufpunkt in der Freizeit dar. Das ist besonders wichtig, um ihnen Alternativen zu Drogen und Sex zu bieten (Teenager-Schwangerschaften sind die Regel). Das Projekt bietet Sportkurse, Informatikunterricht, Musik und Freizeitbeschäftigungen wie Schach etc. Dabei soll nicht nur die Freizeit verbracht werden, sondern auch etwas für die Jobchancen der Jugendlichen getan werden. Für die Kinder der Nachbarschaft gibt es eine Art Kindergarten mit Vorschule. In viele Aktivitäten werden auch die Eltern mit eingebunden, um das Miteinander der Nachbarschaft zu stärken und die Situation der Familien zu Hause zu verbessern.
Barrio do Carmo: Nach der Sklavenbefreiung entstanden in Brasilien Dörfer wie der Barrio do Carmo, in denen sich die ehemaligen Sklaven zu ihrer Sicherheit zusammenschlossen. Bis heute sind diese Viertel von großen sozialen Schwierigkeiten geprägt. Um die Situation der Einwohner zu verbessern, entstand auf Initiative der Fokolar-Bewegung eine Bäckerei und ein kleiner Dorfladen. In der Bäckerei können einige Mütter arbeiten und einen Beruf erlernen. Durch die Versorgung mit den notwendigsten Gütern im Ort sparen sich die Einwohner den langen Weg in die Stadt. Das spart Zeit, die mit der Familie verbracht werden kann. Außerdem werden Häuser gebaut, um die Wohnverhältnisse zu verbessern. Die Projektteilnehmer haben in der Bäckerei mitgearbeitet, ein Haus gestrichen, T-Shirts für die Fußballmannschaft genäht und Zeit mit den Kindern verbracht.
Besonders das Spielen mit den Kindern hat allen Beteiligten Spaß gemacht und in der kurzen Zeit tiefe Beziehungen geschaffen. Daraufhin wurden einige Jugendliche auch in die Häuser der Familien eingeladen. Für viele von ihnen war das eine sehr extreme Erfahrung: Einerseits beeindruckende Gastfreundschaft und andererseits die ungeschminkte Wahrheit über die Lebensverhältnisse dieser Menschen.
Der Abschlusskongress in der Fokolar-Siedlung St. Maria in IGARASSU in der Nähe von Recife war dann die Gelegenheit für alle TeilnehmerInnen, Bilanz über die drei Wochen zu ziehen. Drei Stimmen geben einen Eindruck, wie wichtig diese Erfahrungen für die jungen TeilnehmerInnen war:
Natalia (Brasilien):
Ich lebe hier und arbeite seit einigen Jahren in den Projekten hier in Recife mit. Ich brauchte nur über die Straße zu gehen, um bei euch zu sein. Ich war beeindruckt, wie intensiv ihr euch alle vorbereitet habt, ich kann jetzt nicht einfach hier sein und nur Spaß haben. Auch wenn ich die Projekte hier schon kenne, will ich für euch mein Bestes geben und sie mit euch neu erleben. Es ist das erste Mal, dass so viele Jugendliche aus verschiedenen Ländern hierher kommen und sich für unsere Arbeit interessieren. Wir sind beeindruckt, wie viel ihr hinter euch gelassen habt, um hierher zu kommen. Immer wieder denken wir darüber nach, was wir hier tun müssen und was unsere Ziele sind. Ich fühle sehr stark die Anerkennung für diesen Einsatz.
Talita (Brasilien):
Ich besuche an der Uni keine Lehrveranstaltungen mehr und wollte mit meiner Zeit etwas Konkretes machen. Mit den Leuten zu reden und eine schöne Zeit zu haben reichte mir nicht, ich wollte mehr machen. Ich lerne hier eine Menge mit euch. Nicht nur über die Kultur und die Sprachen, sondern auch die Erfahrungen, die ihr in euren Ländern macht. Angesichts der Armut ist es für viele Brasilianer oft schon normal, sich zurückzulehnen und nichts zu tun. Aber ich denke mir: Ich kann das nicht zulassen, dass ich mich einfach so zurücklehne. Ich kann vielleicht persönlich nichts an der wirtschaftlichen Situation ändern aber ich kann die Menschen lieben und so ihr Leben verändern. Und es ist nicht nur das Helfen, ich kann auch eine Menge lernen, von euch, von den Projekten. Diese Tage haben mich verändert, ich bin nicht mehr dieselbe wie vorher.
Und Johanna aus Deutschland schreibt anschließend:
Für mich war die Zeit in Brasilien sehr bedeutsam. Durch die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen wurde mir erneut bewusst, wie wertvoll das Leben ist. Ich studiere Sozialpädagogik und habe durch das Projekt verstanden, dass ich den richtigen Weg gehe. Ich möchte die Liebe, die ich erfahren habe weitergeben.
Auch der Austausch unter den Projektteilnehmern war für mich ein besonderes Geschenk. Gerade die kulturellen Verschiedenheiten haben mich sehr bereichert und gestärkt. Ich bin nun mit vielen neuen Impulsen und Ideen in meine Heimatstadt zurückgekommen. Zudem hoffe ich, dass die Gesellschaft hier in Deutschland das Leben mehr schätzen lernt. Ich weiß, dass ich nicht alleine den Traum der „geeinten Welt“ träume und habe nun eine neue Familie gefunden. Nichts ist unmöglich!
"Think global - act local" - dieses Prinzip wird in diesem Projekt sogar erweitert: Es geht nicht nur darum, lokal zu handeln, sondern die einmalige Chance zu bekommen, auch globale Auswirkung des eigenen Tuns erleben zu können. So gestärkt, sollen die Jugendlichen ermutigt werden, sich als aktiven und verantwortlichen Teil unserer Gesellschaft zu begreifen und sich ins Geschehen einzumischen. Es gibt viele Ideen, wie dieses neu geknüfte Netzwerk weiter ausgebaut und genutzt werden kann. Die Jugendlichen sind hoch motiviert und spinnen schon an einer Fortsetzung der Erfahrung im nächsten Jahr in einem anderen Land mit anderen Schwerpunkten.
In Brasilien, Argentinien und Rumänien sind verschiedene Presseartikel entstanden. Hier finden Sie alle Beiträge im Überblick >>.
Inzwischen ist eine Dokumentations-Broschüre mit vielen Bildern in englischer Sprache verfügbar, erhältlich in der Geschäftsstelle des Starkmacher-Büros in Mannheim.
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