Bericht aus Mexiko - Annja

"Es war wie ein langer Ausflug, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde."

Bevor ich nach Mexiko ging, wollte ich schon immer mal länger ins Ausland, aber wohin und vor allem, was dort machen, das war mir nie so klar. So kommt es auch, dass ich mit 25 Jahren und gerade mein Studium in der Tasche, noch nicht so recht den Schritt in die Arbeitswelt wagen wollte. Da tat sich die Gelegenheit auf, einen Freiwilligendienst in Mexiko zu machen. Was mich spontan dort hinzog, war das bisschen, was ich von der lateinamerikanischen Mentalität kannte und dass ich dort die Möglichkeit hatte, mich sozial zu engagieren.

Mein mexikanischer Lebensmittelpunkt war ein Begegnungszentrum im Staat Puebla. Dort lebte ich mit ca. 6-12 Mexikanerinnen und später auch mit 2 anderen Deutschen zusammen. Unsere Betreuerin war aus Panama. Von Anfang an war ich in der Situation spanisch sprechen zu müssen, da keiner viele Englisch-Kenntnisse hatte. Das war am Anfang sehr ermüdend, da ich mit meinen Spanisch-Kenntnissen aus 2 Unikursen lediglich meine Grundbedürfnisse äußern könnte. Aber alle, die mit mir zusammenwohnten, brachten eine große Geduld auf und erklärten mir alles Wichtige nochmal ganz langsam. So eine Erfahrung schweißt zusammen, zumal man auf die Mithilfe anderer geradezu angewiesen ist. Mit den anderen Mädels wurde fast alles zusammen geteilt: die Mahlzeiten, ein gut organisierter Putzplan, alle Einnahmen kamen in einen Topf, Veranstaltungen des Begegnungszentrums wurden mitorganisiert und zum Teil wurde auch zusammen gearbeitet. So hatte ich schnell Bezugspersonen, denen ich mich nach wie vor, trotz der Entfernung und des unregelmäßigen Kontaktes, sehr nahe fühle. Gearbeitet habe ich in einer Feinbäckerei. Dort haben wir relativ eigenverantwortlich Waren für die Großküche des Begegnungszentrums hergestellt (Pizzaböden, Gebäck...) und haben 2 Mal die Woche in der nahegelegenen Stadt unsere Produkte an Stamm- und Laufkundschaft verkauft (sprich, wir sind mit Kisten in der Hand durch den Ort gelaufen und haben den Leuten in den Geschäften unsere Produkte angepriesen). Dies hat sich erst mit der Zeit zu einem schönen Erlebnis entwickelt. Denn zunächst war ich sehr befangen, diese Arbeit zu machen. Aber mit der Zeit kam ich so mit warmherzigen Mexikanern in Kontakt, in denen ich irgendwann nicht mehr nur noch Kunden, sondern gute Bekannte gesehen habe. Und so wurde aus der anfänglichen Befangenheit unsere Waren anzubieten eine Arbeit, die mir nach und nach Freude bereitete.

Bei diesen Schülern, die schon Defizite in anderen Fächern haben, stand nicht so sehr im Vordergrund, ihnen Englisch beizubringen, sondern Ihnen das Gefühl zu geben, dass sie etwas können. Gerade weil es mit dieser Gruppe nicht immer nur leicht war, sind sie mir besonders ans Herz gewachsen. Insgesamt war die Zeit in der Schule für mich sehr anstrengend, aber ich will sie nicht missen, denn so eine Erfahrung wird in meinem Leben einmalig bleiben und ich habe dabei viel über mich und andere gelernt.

Da fällt mir auf, dass ich genau das Gleiche auch über das Zusammenleben mit den anderen schreiben kann, denn auch dort war nicht immer alles nur einfach (warum, brauche ich bei ca. 8 zusammenwohnenden Mädels wohl kaum näher erläutern), aber es entstehen unvergleichliche Beziehungen, die mehr an Familie als an Freundschaft erinnern.

Nach einem halben Jahr gab es viele Wechsel bei uns im Haus. Einige gingen, andere kamen. Das führte auch nochmal zu vielen Umstellungen; nun war ich nicht mehr diejenige, der alles erklärt wurde, sondern ich bekam die Chance, etwas zurückzugeben, von dem, was ich erfahren habe und Verantwortung zu übernehmen.

Neben unserer eigentlichen Arbeit gab es noch viele Veranstaltungen und Tätigkeiten im Begegnungszentrum, wie die Vorbereitung und Durchführung verschiedener Treffen oder auch die tatkräftige Mitarbeit in der Großküche, Cafeteria oder Rezeption.

 Zwar habe ich selber an diesem Tag nicht viel von allen Aktivitäten mitbekommen, da ich nur die Kindergesichter sah, die ich schminkte, aber abends fühlte ich mich rundum glücklich (wenn auch müde), denn die Freude der Kinder war einfach ansteckend.

Ein anderer Höhepunkt war, als wir 2 traditionelle mexikanische Tänze für eine Veranstaltung einstudierten. Wir übten nicht einmal 2 Wochen und immer nur abends, aber am Ende passte alles, sogar die Kostüme haben wir gestellt bekommen. Das war mein endgültiger und totaler Einstieg in die farbenfrohe und fröhliche mexikanische Kultur.

Bei einem gemeinsamen Urlaub und auf verschiedenen Ausflügen lernte ich etwas von Mexiko kennen. Dabei kam ich bei Bekannten unter und lernte die enorme Gastfreundschaft und Neugierde der Mexikaner kennen, die mich gerne in ihr Haus aufnahmen. Ich kann nur schwer in Worte fassen, wie bereichernd diese Gastfreundschaft für mich war.

Ich bin ungemein froh über die Möglichkeit, die mir geboten wurde, einmal in ein ganz anderes Leben zu tauchen. Es war wie ein langer Ausflug, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Das Prägendste, das davon bleibt, sind die wunderbaren Beziehungen, die ich dort geknüpft habe und die Unmenge, die ich über mich selber gelernt habe. Ich weiß nun, welche persönlichen Grenzen ich habe und wie viele sich überschreiten lassen, mit Mut und vor allem: mit unterstützenden Menschen.

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