„Ehrliche Gespräche sind besser als erhobene Zeigefinger“
Rabbiner Henry Brandt erhält in Aachen Klaus Hemmerle-Preis
Stehende Ovationen vor einem Mann des Dialogs und der Versöhnung: Rabbiner Henry Brandt erhielt heute im Aachener Dom den Klaus Hemmerle-Preis und alle Anwesenden erhoben sich, um den jüdischen Gelehrten zu ehren.
Prof. Dr. Franz Sedlmeier erinnerte in seiner Laudatio an Brandts „Werk der Aussöhnung und der Verständigung“ und sprach ihm Anerkennung und Wertschätzung dafür aus, immer wieder „Räume des Verstehens“ zu eröffnen.
Im vollen Dom hieß Bischof Helmut Dieser die Gäste aus Österreich, Schweiz, Italien und allen Teilen Deutschlands willkommen. Der jüdisch-christliche Dialog sei eines des Herzensanliegen seines Amtsvorgängers Klaus Hemmerle gewesen, an dessen Erbe der von der Fokolar-Bewegung vergebene Preis erinnert. An Brandt gewandt, sagte er: „Ihr Lebenswerk bestätigt das tiefe Anliegen und das hohe Maß, das Hemmerle an den jüdisch-christlichen Dialog legt und löst es ein.“
Landesbischof i.R. Dr. Christian Krause hat den Preis im Jahr 2006 erhalten und hieß den achten Preisträger der Auszeichnung im Kreise der bisher Geehrten willkommen. Er hoffe, dass die „Botschaft von der Chance der Versöhnung und sein Ruf zur Einheit unter den Menschen“ auch öffentlich gehört werde.
Die Präsidentin der Fokolar-Bewegung unterstrich in ihrer Grußbotschaft, die verlesen wurde: „Der Weg der Freundschaft, der Gemeinschaft und des Austausches ist immer fruchtbar. Ich wünsche von Herzen, dass der heutige Festakt uns ermutigt, geschwisterliche Beziehungen zu knüpfen und zu vertiefen.“
Laudator Franz Sedlmeier zeigte auf, dass Brandt sein Leben dem Dialog und vor allem dem Gespräch unter Christen und Juden gewidmet habe. Dass er 45 Jahren nach der Flucht vor der Verfolgung durch den Nationalsozialismus wieder nach Deutschland zurückgekehrt sei, sei ein starkes Zeugnis: „Diese Rückkehr in das Land der Täter ist wie eine ausgestreckte Hand.“
Auch innerhalb des Judentums sei er ein Mann der Vermittlung, der Verbindung zwischen Gegensätzen, das zeige nicht zuletzt die Tatsache, dass er noch immer Rabbiner von zwei sehr unterschiedlichen jüdischen Gemeinden sei: der moderat-orthodox eingestellten Kultusgemeinde Augsburg-Schwaben und der Jüdischen Kultusgemeinde von Bielefeld, die der „Union progressiver Juden“ angehört.
In den unzähligen Begegnungen, die er ermöglicht habe, seien Freundschaften entstanden, „Räume des Verstehens, des Vertrauens, der Zuneigung“. Das verbinde ihn mit dem Namensgeber und seinem guten Freund Klaus Hemmerle. „Dieser wahrhaftige Umgang miteinander, verbunden mit der Bereitschaft, die Umkehr auch tatsächlich zu tun, eröffnet neue Horizonte“.
In seinem Dank nach der Verleihung wurde Brandt dann ernst und nachdenklich. In Erinnerung an ein Lied, das oft in jüdischen Gemeinden gesungen werde, sei ihm beim Bild der Brücke auch etwas Angst geworden: „Diese Brücken, die wir zu bauen haben zwischen den Konfessionen, zwischen den gesellschaftlichen Gruppierungen, die überbrücken nicht etwas, das von der Natur vorgegeben ist. Sie überbrücken Gehässigkeit, Ablehnung, Ausgrenzung und Gewalt... Die Abgründe, über die die Brücken führen, sind menschgemacht.“ Es sei ein Kampf an zwei Fronten: Einerseits Brücken zu bauen und gleichzeitig dafür zu arbeiten, dass diese Brücken gar nicht nötig seien.
Daher sei ihm der Kontakt, das Gespräch mit der Jugend so wichtig, den er in den letzten Jahren an der Universität Augsburg gern und regelmäßig pflege. „Das offene, ehrliche Gespräch ist die beste Kampfmethode gegen den Antijudaismus, besser als der erhobene Zeigefinger.“
Er sei stolz und dankbar, den Preis seines verehrten Freundes Klaus Hemmerle zu tragen und zitierte ihn zum Schluss noch einmal: „Nur in Gemeinschaft vermögen wir die Welt zu gestalten“.