Ich fühle mich mies.

Negative Gefühle sind da – doch wir können sie nutzen.

Immer wieder haben wir negative Gefühle und können sie nicht einfach ausschalten. Wir müssen uns jedoch nicht von ihnen bestimmen lassen. Wie also mit negativen Gefühlen umgehen, damit sie weder uns noch anderen schaden? Und könnten sie vielleicht sogar für etwas gut sein?

Woher kommen negative Gefühle?

Wut und Hass - Gefühle, die wir in der Öffentlichkeit ungefiltert ausgelebt sehen: im Wahlkampf, in politischen Debatten, auf Demonstrationen, in den Fußballstadien, den Sozialen Medien, im Verkehr, an der Supermarktkasse. Dabei gehören sie zu den „negativen“, den unangenehmen Gefühlen, die viele Menschen am liebsten vermeiden, so wie Angst, Eifersucht, Neid, Scham, Schmerz, Trauer. Hinter nach außen gezeigter Aggression und Rücksichtslosigkeit können andere, verborgene Gefühle stecken: Hilflosigkeit angesichts der komplizierten Zusammenhänge weltweiter Probleme. Angst, zu kurz zu kommen. Neid, dass es anderen besser geht. Trauer darüber, Sicherheiten, Liebgewonnenes oder Gewohntes verloren zu haben.

Unangenehme Gefühle auf die Straße zu tragen und an Gegenständen oder Menschen auszulassen, kann Ausdruck einer Überforderung sein: Über unterschiedliche Kanäle prasseln viele Nachrichten auf uns ein. Aber wir können sie nicht verarbeiten, nicht darauf reagieren, fühlen uns ohnmächtig. Ein Gemenge aus negativen Gefühlen braut sich zusammen, bleibt aber unbewusst, entzündet sich bei bestimmten Anlässen und sucht sich ein Ventil. Die Polarisierungen, Spaltungen und Ausgrenzungen, die wir in unserer Gesellschaft erleben, hängen eng damit zusammen.

Welche Folgen haben negative Gefühle? 

 Unbequeme Gefühle können uns blockieren, unsere Entscheidungsfähigkeit einschränken, uns Dinge tun lassen, die Schaden anrichten und die wir später bereuen. Wir spüren ihre Auswirkungen körperlich: Verspannungen, Kopf- und Bauchschmerzen können mit negativen Gefühlen einhergehen oder ihre Folge sein. Sind diese Gefühle stark, häufig, lange andauernd, können sie der Gesundheit schaden. Daher ist es sinnvoll, sich der unbequemen Gefühle bewusst zu werden und zu lernen, in der jeweiligen Situation angemessen mit ihnen umzugehen.

Wie können wir konstruktiv mit ihnen umgehen?

Ein erster Schritt ist, dass wir sie zulassen, Ja dazu sagen. Es hilft, ein Gefühl in Worte zu fassen. Wie und wo spüren wir es: Bereitet es uns Kopf- oder Bauchschmerzen? Haben wir einen Kloß im Hals? Wo sind wir verspannt? Das Gefühl zu benennen und seiner körperlichen Wirkung nachzugehen, hilft Abstand zu gewinnen und ihm seine Macht zu nehmen - also nicht in übermäßiges Grübeln zu verfallen oder sich hineinzusteigern. 

Für eine Weile Abstand nehmen, ist ein weiterer Tipp. Steigt in einer hitzigen Debatte Ärger oder Wut in mir auf, kann ich sagen, dass ich nicht mehr klar denken kann, eine Pause brauche und für fünf Minuten den Raum verlassen möchte. Was tut mir jetzt gut? Sich diese Frage zu stellen und Zeit für sich nehmen kann helfen, sich wieder besser zu fühlen, um dann dem Auslöser des Gefühls nachzugehen.

Fazit

Unbequeme Gefühle können helfen, uns mit unseren Bedürfnissen besser kennenzulernen. Wir brauchen uns nicht von ihnen bestimmen zu lassen. Vielmehr können wir mit ihnen so umgehen, dass sie weder uns noch anderen schaden. Werden sie nicht zerstörerisch ausgelebt, ist das auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden. Viktor Frankl, Begründer der Logotherapie, sagt sinngemäß: Wir haben Gefühle, aber wir sind sie nicht.

 

Dies ist der leicht gekürzte Beitrag von Clemens Behr aus der Zeitschrift NEUE STADT, die sich in ihrer März/April-Ausgabe mit dem Thema „‘Negative‘ Gefühle nutzen“ beschäftigt. Möchten Sie auch die weiteren Beiträge lesen? Dann können Sie HIER ein Probe-Heft anfordern oder das Magazin NEUE STADT abonnieren.


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