"Ich war kurz weggebeamt"
Eine kurze Auszeit - kurz weggebeamt - so beschrieb eine junge Frau ihren Eindruck vom sogenannten Unplugged-Konzert der internationalen Band Gen Verde in der Justizvollzugsanstalt Vechta in Norddeutschland. Mit nur einigen Akustikinstrumenten stellen sich die 18 Künstlerinnen bei dieser Art von Auftritten ihrem Publikum in einem sehr persönlichen Rahmen: in diesem Fall, den ca. 70 Frauen in der JVA, zum Teil noch in jugendlichem Alter.
Dagmar Haake, eine der drei Seelsorgerinnen des Hauses, hatte den Kontakt eingefädelt. Sie kennt die Band seit Jahren und das Leben aus der Spiritualität der Fokolar-Bewegung, aus der die Künstlerinnen leben, prägen auch das persönliche Leben und Engagement Haakes.
Dass der Funke überspringen würde, hatte die Seelsorgerin gehofft, doch dass es so schnell ging, damit hatte sie nicht gerechnet. „So viele strahlende Gesichter habe ich schon lange nicht mehr in der JVA gesehen“. Im Vorfeld war durchaus Überzeugungsarbeit zu leisten, da die Band in der Region nicht so bekannt ist. Die Inhaftierten kamen letztendlich aufgrund der Beziehung zu Dagmar Haake, weil sie sie kennen und schätzen.
Konzerte gab es schon öfter in der JVA, andere Künstler, die die Location nutzten und die Gäste kamen von „außerhalb“. Diesmal war es umgekehrt: ein Konzert ausschließlich für die inhaftierten Frauen.
Doch nicht nur für sie war das Konzert etwas Besonderes. Auch für die Künstlerinnen war der Auftritt absolut nicht alltäglich. Nancy Uelmen aus den USA, die bereits seit den 90er Jahren Teil der Band ist, sagt hinterher: „Das war eines der schönsten Konzerte meines Lebens. Und ich habe schon viele erlebt…“
Oder Christina aus Malaysia: „Diese Frauen haben mir geholfen: Sie haben mir einen Grund gegeben, für den es zu leben gilt. Sie haben mir Mut, Hartnäckigkeit und Hoffnung geschenkt“.
Der persönliche Eindruck von Mileni aus Brasilien bringt die Atmosphäre des Abends, die Beziehung die zwischen Publikum und Band entstand, auf den Punkt: „Als ich mir meine Gitarre umhängte und in die Gesichter vor mir blickte, dachte ich: Diese Frauen brauchen kein Mitleid, sie brauchen eine Schwester… und ich möchte ihnen sagen – wenn auch nur durch Augenkontakt: Diese Schwester möchte ich heute für euch sein.“
Die Reaktionen der Inhaftierten sprechen für sich:
„Das Konzert war einfach klasse. Sie haben ohne Vorurteile für uns gesungen. Ich war kurz weggebeamt!“
„Viele Lieder waren so passend für unsere Situation hier. Besonders der Song „On the other side“, den anderen nicht sofort zu verurteilen…“
„Die Geschichten der Lieder sind auch meine Vergangenheit und deswegen fühle ich mich nicht allein mit meinem Schmerz. Ich weiß jetzt, dass auch andere mit den gleichen Geschichten, mit dem gleichen Schmerz es geschafft haben, wieder glücklich zu werden.“
„Man hat keinen Unterschied gespürt, die waren wie wir. Manche von denen hatten sogar Tränen in den Augen. Die haben uns wirklich verstanden“.
„So bunt, so viele Farben, so frohe Gesichter. Einen kurzen Moment war ich nicht im Gefängnis.“
„100mal Super! Die Frauen haben es mit Herz gemacht. So ein freundliches Lachen. Sie wissen, wie es uns geht. Eine Sängerin hat mich immer direkt angeguckt, von Auge zu Auge und ich spürte sie kennt meine Gefühle und singt nur für mich. Echte, ehrliche Gefühle und so realistisch. Auch die Kleidung und der Rhythmus waren toll“.