Genfest 2018 - Nur große Ideale machen Geschichte
6000 Jugendliche im World Trade Center Manila, 20 lokale Genfeste weltweit, Zehntausende folgen dem Life-Streaming: Der Welt Hoffnung geben
Auf den Philippinen beginnt das Programm auf der Bühne, doch gleichzeitig finden weltweit mehr als 20 nationale Genfeste statt. Bei allen geht es um einen zentralen Programmpunkt, die Überwindung von Grenzen: „Beyond all borders“. Ein mutiger Slogan in der Zeit von heute, durch den die Jugendlichen aufzeigen wollen, dass man ohne Mauern und Stacheldraht ein glücklicheres Leben vor sich hat. Diese 6000 haben es ausprobiert – und nicht nur sie - wie das geht: Grenzen zu überwinden im eigenen Alltag und auch darüber hinaus bei Solidaritätsaktionen an den Peripherien dieser Gesellschaft. Dieses Genfest kennt keine Zuschauer, nur Akteure.
Der erste Vormittag startet mit einem Videobericht über die Aktionen des Vor-Genfestes, das sich an 20 verschiedenen Orten in Südostasien vom 28. Juni bis 5. Juli abgespielt hat. Hunderte von Jugendlichen haben dort Solidaritätsaktionen zugunsten der Bevölkerung durchgeführt, immer im Gespräch mit den Menschen und Institutionen vor Ort.
Am Nachmittag auf der Bühne starke Erfahrungen, wie die von Josef Capacio aus San Diego (USA) und Noè Herrera aus Mexicali in Mexiko. Beide haben ein Zeichen des Friedens gesetzt entlang der Mauer, die beide Nationen voneinander abschottet. Sie wurden dabei unterstützt von vielen anderen amerikanischen und mexikanischen Jugendlichen. „Wir haben gesehen, dass wir die gleichen Werte vertreten“, erzählt Noè, „wir haben die gleiche Sicht der Welt, die gleichen Ziele, daran können keine Mauern etwas ändern.“
Dann berichten Jean Paul Muhanuzi aus Burundi und Egide Nduwayezu aus Ruanda. Sie erzählen die Geschichte ihrer Freundschaft unter wirklich dramatischen Umständen: Beide wurden Opfer eines Anschlags, Jean Paul wurde dabei schwer verletzt. Egide wich nicht von seiner Seite und hat ihn begleitet, auch später bei der schwierigen Rehabilitation nach der OP. Sie haben die Grenze ihrer Länder überschritten und die Schönheit und den Reichtum des anderen Landes in sich aufgenommen.
Jaime Zayas aus Salvador fordert die Jugendlichen von der Bühne aus auf, den eigenen „Quadratmeter Lebensraum“ zu verändern, wie er es in einem Kontext von Misstrauen und Gewalt in seiner Stadt getan hat. „Wir wissen um die großen Probleme unseres Landes, aber wir können es verändern, wenn wir im Kleinen Beziehungen aufbauen, die auf Gegenseitigkeit beruhen.“
Der Italiener Tommaso Carriere, Mitbegründer des Verbandes „Non alla Guerra“ (Nein zum Krieg), spricht über die Arbeit, Menschen zum Frieden zu erziehen, indem man sie u.a. über die Geschichte und Entwicklungen der Kriege informiert. „Wir erzählen ihnen, was wir in Kriegsgebieten gesehen haben; wie die Konflikte die Gesellschaft untergraben und definitiv zerstören und wie jede Hoffnung auf Zukunft im Keim erstickt wird.“ Seit 2014 organisiert der Verband Sommercamps in Jordanien, wo die jungen Europäer Flüchtlingslager besuchen und sich für die Kriegsopfer einsetzen.
Die Stimmen dieses ersten Tages in Manila berichten von Lebenswegen und Projekten, von „Fragmenten der Geschwisterlichkeit“, von kleinen Schritten, die Menschen und Völker aufeinander zugemacht haben, von konkrete Zeichen der Hoffnung, die Grenzen überschreiten.
Am zweiten Tag werden den Genfestteilnehmern 117 Foren und Workshops angeboten und darüber hinaus 10 soziale, interkulturelle/ interreligiöse Aktivitäten sowie Umweltaktionen organisiert. Eine gute Chance, um von der Theorie in die Praxis über zu wechseln und „Learning by doing“ auszuprobieren. Theoretische Diskussionen werden jetzt untermauert durch persönliche Erfahrung, durch Änderung des Blickwinkels und durch das konkrete Durchtragen einer plötzlich total veränderten Ausgangssituation.
Vor Monaten haben sich die jungen Leute bereits für die Workshops angemeldet. Die Erwartungen sind hoch. Ein junger Portugiese: „Ich gehe ins Forum ‚Ich möchte helfen! Wie kann ich der Rolle des Zuschauers entrinnen?‘ Das bewegt mich schon lange. Ich bin ein ohnmächtiger Zuschauer vor den großen Problemen unserer Zeit: Arbeitslosigkeit, Rassismus, Gewalt. Ich möchte aus dem Teufelskreis der Hilflosigkeit ausbrechen nach dem Motto: Ich kann sowieso nichts ändern!“
Eine große Gruppe aus Cebu (Philippinen) nimmt am Forum: „Der Natur Nahrung geben“ teil mit Kim Atienza, einem bekannten philippinischer Moderator, der Umweltthemen vertritt. Er ermutigt die Jugendlichen, sich mit der Natur auseinanderzusetzen, den Lebenszyklus kennenzulernen und einen nachhaltigen Lebensstil zu übernehmen. Man kann sich auch voll auf die asiatische Küche einlassen oder lernen, Stress und Ängste zu überwinden. Viel Raum wurde der Sozial- und Zivilwirtschaft gewidmet, menschengerechter Architektur und dem Zauber des Filmemachens. Natürlich fehlt auch die Politik nicht, aber eine Politik, die „Hoffnung vermittelt“. Ein Mädchen aus Burundi: „Ich war beim Workshop über die Bekämpfung von Korruption. Wir haben gelernt, was man tun kann, um sie zu bekämpfen. Auf meinem Kontinent ist Korruption eine landesweite Plage. Die Tatsache, dass wir hier sehr viele Menschen sind, die sie bekämpfen wollen, gibt mir Hoffnung, auch diese Mauer zu zerschlagen.“
Am Nachmittag startet die Aktion: „Hands4Humanity“: Zehn Aktionen stehen zur Auswahl, um das Erlebte und Gehörte konkret umzusetzen in verschiedenen Stadtteilen von Manila. Da kann man mitarbeiten in Bukas Palad, einem Sozialzentrum der Fokolar-Bewegung, oder die Stadt von Unrat säubern, sich mit der muslimischen und hinduistischen Gemeinde treffen, Waisenhäuser, Krankenhäuser und Taubstummenanstalten besuchen oder Straßentheater spielen. In Tramo Sreet, einem Stadtrandgebiet, säubert eine große Gruppe von Jugendlichen aus Australien, Brasilien, Europa und natürlich von den Philippinen zusammen mit Leuten aus der Bevölkerung die Straße oder bemalt Hauswände. Ein Junge aus Kalifornien kommentiert: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das in einer Stadt machen würde, die nicht einmal meine Stadt ist und die ich vermutlich auch nie wieder sehen werde. Aber ich bin sehr zufrieden, es war mir ganz unerwartet wichtig!“
„Es war eine gute Idee, die Jugendlichen sofort etwas konkret umsetzen zu lassen, für sie, aber auch für die Bevölkerung“, erklärt Tina Bonifacio, eine Unternehmerin und Koordinatorin der Foren. „So haben sie gelernt, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner Kultur und seiner Herkunft, etwas zu geben und zu teilen hat.“
Nach einem Gottesdienst in der großen Halle der Abschluss des Genfestes: Die Jugendlichen besinnen sich noch einmal auf die Wurzeln ihres Engagements, dass letztlich der Entscheidung Chiara Lubichs zu verdanken ist, die sich vor 75 auf ein radikales Leben mit dem Evangelium eingelassen hat. In den nächsten Jahren werden die "Jugendlichen für eine Geeinte Welt" der Fokolar-Bewegung ein Netz aus Aktionen über die Welt spannen. Sie haben zum Ziel, im eigenen Umfeld und Land Denken und Handeln im Sinn von Frieden und Solidarität zu verwurzeln. Marco Provenzale: „Am 6. Juli waren wir am Sitz der FAO und der UNESCO hier in Manila, um unsere Projekte vorzustellen und den internationalen Organisationen vom Einsatz vieler Jugendlicher zu erzählen, die als Botschafter der Geschwisterlichkeit in ihre Länder zurückkehren werden. Sie haben einen konkreten Auftrag: Aktionen „beyond all borders“ - über alle Grenzen hinweg – zu organisieren, wie es auch der Titel des Genfestes sagt, um kulturelle, soziale und politische Grenzen zu überwinden.“
Fokolar-Präsidentin Maria Voce gibt den Jugendlichen drei Worte mit, auch als Lebensprogramm für alle jetzt Heimreisenden: Lieben, neu anfangen und teilen. Das Volk des anderen lieben wie das eigene; neu anfangen und nie die Hoffnung auf eine andere Welt aufgeben; Reichtum, Ressourcen und persönliche und gemeinschaftliche Lasten teilen. Sie schließt mit der Herausforderung an die Jugendlichen, Männer und Frauen der Einheit zu sein, Menschen, die im Herzen die Schätze jeder Kultur tragen und diese auch den anderen zu schenken wissen, globale Menschen im besten Sinne des Wortes.