Leidenschaft, die ausstrahlt

Schwester Regina Pröls, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Ordensoberenkonferenz, brachte die Grüße ihres Vorstandes und wünschte sich, dass die Begegnung in Ottmaring in die Öffentlichkeit wirke: „Lebendigkeit verbreitet sich, wenn die Ordensgemeinschaften sich füreinander öffnen. Die Leidenschaft, die wir unter uns erleben, muss ausstrahlen“.

Raimund Schreier, Abt der Prämonstratenser-Abtei von Innsbruck-Wilten, begrüßte den Kardinal und die Anwesenden als Veretreter der österreichischen Ordenschristen. Die Welt erwarte geistliche, aber auch ökoligische und soziale Impulse von den Orden, betonte er.
 Und dann betrat bei herzlichem Applaus der Kardinal die Bühne. Ganz schlicht im schwarzen Anzug und sichtlich erfreut über das herzliche Willkommen, blieb er zum Sprechen stehen, nahm nicht Platz am vorbereiteten Tisch - „den überlassen wir Jesus...“, sagte er lächelnd.

Dann richtete er gleich die Grüße seines Mitarbeiter-Teams der römischen Ordenskongregation aus – etwa 40 Leute. Das Gremium ist im Vatikan Ansprechpartner und Koordinationsstelle für alle katholischen Ordensgemeinschaften und Kongregationen der Welt. „Die Gemeinschaft unter uns ist sehr wichtig! Wir dürfen nicht 'von oben nach unten' arbeiten, wir sind gleich, auf Augenhöhe. Und wir sind auch nicht 'bei Hofe' – die deutlichen Worte des Papstes bei seiner Weihnachtsansprache vor dem Kardinalskollegium haben uns gut getan.“
 Bild entfernt.Bild entfernt.Bild entfernt. Bild entfernt. Bild entfernt.Bild entfernt.Bild entfernt.Auch wenn er ein schriftliches Konzept vor sich hatte, sprach er 45 Minuten lang frei, sehr offen, bisweilen mit kernigem Sprachgebrauch. Zweimal hielt er inne und fragte zögernd ins Publikum „Sind das zu deutliche, zu starke Worte?“ Doch bei den Anwesenden rannte er offene Türen ein, viele bedankten sich später für die äußerst konkreten Denkanstöße.
Das Ordensjahr, das Papst Franziskus für die ganze Kirche ausgerufen hatte, sei aus seiner Sicht Gelegenheit, bestimmte Erkenntnisse und Klarstellungen des II. Vatikanums ins Licht zu rücken. Grundlegend dafür sei das Verständnis, dass die Ordensleute Teil des Volkes Gottes sind, keine Elite oder einer Gruppe von Ersterklassechristen. Es ginge nicht um die Vollkommenheit eines Standes, einer Lebensform, sondern um die Vollkommenheit im Leben des Evangeliums und die sei für einen Verheirateten in gleicher Weise möglich zu leben.

Propheten für ein Leben in Gemeinschaft

Nicht einmal die Radikalität des Evangeliums sei das Privileg der Ordenschristen aber sie seien die Propheten dieses Lebensstils. Heute gelte es, die Aspekte zu leben und zu bezeugen, die auch für die Menschen in ihrer Umgebung wegweisend sein können: „Es braucht das gemeinschaftliche Leben und das bedeutet einen Qualitätssprung in unserer individualistischen Kultur. Der andere ist eine Gelegenheit, in Beziehung mit Gott zu kommen und das gilt auch für die Mitbrüder und Mitschwestern in der eigenen Gemeinschaft.“

Der Kardinal machte Werbung für lebenslanges Lernen: Schulung und Ausbildung seien nichts Statisches. Ein wichtiger Aspekt in der Schulung von Menschen geschieht aus Sicht des Ordenspräfekten durch die Führung Gottes. Nur wer sich seiner Lenkung anvertraue, könne gewiss sein, dem zu entsprechen, was Gott von der eigenen Gemeinschaft und jedem Einzelnen wolle.

Kein Missbrauch von Autorität

Deutliche Worte fand „Don João“, wie viele ihn freundschaftlich nennen, für den Missbrauch von Macht und Autorität. „Autorität ohne Geschwisterlichkeit ist Autoritarismus. Gehorsam und Autorität sind kein Selbstzweck, sie müssen von der Liebe gelenkt sein.“ Das sei auch im Vatikan nötig, erzählte er und berichtete von konkreten Lebensbeispielen, wie er selbst immer wieder den ersten Schritt tut, um festgefahrene Strukturen und Umgangsformen zu durchbrechen.
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Und er schwört auf das Leben in Beziehungen, für ihn eine Möglichkeit, Dreifaltigkeit nicht nur theologisch zu deuten, sondern im Alltag zu leben. „Dann kehrt Freude und Freiheit zurück, die Menschen haben die Kraft, auch in schwierigen Situationen nicht das Handtuch zu werfen“.

Eintrittsalter von Spätberufenen

Für den Kardinal sind die Eintrittsgründe entscheidend, nicht in erster Linie das Alter. Und da ist er durchaus kritisch bei der Unterschiedung: "Wenn jemand vor dem Leben in der Gesellschaft flüchten will, wenn man sich wirtschaftlich absichern will, wenn die Zahl der Berufungen damit gesteigert werden sollen, wenn der Grund eine Freundschaft mit einem Ordensmitglied ist... dann ist von einem Eintritt abzuraten." Die richtige Unterschiedung sie nur möglich, wenn der Orden im Geist des Evangeliums lebt.

Stellung der Frau in der Kirche

Gefragt nach der Chance, ob in Zukunft auch Frauen die Diakonnenweihe empfangen könnten, beklagt er das immer noch stark spürbare Ungleichgewicht zwischen Männdern und Frauen in der Kirche. "Das Haupt zu sein, verlangt die Bereitschaft, das Leben für den anderen zu geben. Wenn nicht, ist es Dominanz, Macht. Männer und Frau müssen sich nicht gleich entwickeln, die gleichen Wege gehen. Jesus hatte in seiner Nachfolge auch Frauen."
In der Kirche und in den Köpfen vieler Gläubiger sei das Priesteramt inzwischen oft an Macht geknüpft. Es könne nicht darum gehen, dass man den Frauen einfach nur den Zugang zu dieser Macht freigeben müsse. Die Frage sei vielmehr, welche Aufgaben und Verantwortungen in der Kirche grundsätzlich auch Frauen übertragen werden könnten - das lasse Papst Franziskus gerade prüfen.


Problem der Überalterung in den Orden

Wie er zu der Notlösung stünde, in Ermangelung von jüngeren Ordensmitgliedern für die Leitung einer Gemeinschaft auch externe Ordens-Mitarbeiter zu beauftragen. Da hat Kardinal de Aviz Vorbehalte: Statt externe Mitarbeiter als Ordensleitung zu hereinzuhoeln, solle lieber geprüft werden, ob nicht eine Zusammenlegung mit einer anderen Gemeinschaften möglich ist und so auch Kandidaten für die Leitung gefunden werden können.
Auch sollten seiner Ansicht nach die Novizen und die jungen Schwestern und Brüder nicht verpflichtet sein, die Alten zu pflegen. Sehr wichtig sei aber durchaus, den Erfahrungsschatz der älteren Mitbrüder und -schwestern aufzunehmen, anzuhören. Niemand sollte allein gelassen, sich selbst überlassen werden.

Zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern

Immer wieder wird der Präfekt der Ordenskongregationen mit der Frage konfrontiert, wie man mit schwindenen Ordensmitliedern die vielen Werke mit Mitarbeitern versorgen solle. "Wenn es etwas zu retten gilt, dann die Menschen, nicht die Werke. Ihr habt Gott geheiratet, nicht die Werke!" ist seine spontane Reaktion. Es ginge darum, im guten Miteinander, im Gespräch mit der Ortskirche zu klären, wie das Werk vorangebracht, weitergeführt werden kann, ohne den Menschen die Luft zum Atmen zu nehmen.

In den Lebenszeugnissen von drei Ordenschristen am Nachmittag wurden dann die Früchte eines geistlich und gemeinschaftlich inspirierten Lebens deutlich.

Redemptorist Hans Schalk aus dem Vorbereitungsteam der Tagung ist hoch zufrieden mit dem Tag: „Die Charismen der Orden konnten in einem gemeinsamen Raum zusammenkommen – wir haben eine Art neues Pfingsten erlebt. Viele waren dankbar, dass sich Kirche so präsentiert: frei, einfach und voller Freude. Don Joao hat deutlich gemacht: Wir sind Geschwister und unsere Aufgaben sind Dienste“.
 

Text: Andrea Fleming

Fotos: Ursel Haaf

 


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