Barmherzigkeit heute
Den Martin braucht man nicht nur, um die Laternen rauszuholen. Seine Botschaft, dass Teilen für beide Seiten Sinn macht, ist topaktuell. Das zeigt jedenfalls die Münchner Martinswoche.
Wer hätte das gedacht, dass St. Martin (der von Tours, nicht der von Wittenberg) uns auch über die schöne Kindheit mit „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ hinaus begleiten würde? Und das im besten Sinne: das Teilen ist das Besondere an ihm und der Legende. Es ist auch das, was besonders ist an der Martinswoche in München vom 10. - 16. November 2015 .
Die Martinswoche bisher? 2015 findet sie das sechzehnte Mal statt, im „Wohnzimmer“ der Fokolar-Gemeinschaft in München (da geht’s schon los mit dem Teilen), an sieben Abenden hintereinander und an einem Nachmittag für Familien mit kleinen Kindern.
Es ist eine Woche der Begegnung und gleichzeitig der Auseinandersetzung mit Themen, „die in der Luft liegen“. Da geht es zum Beispiel am ersten Abend in diesem Jahr um das sowohl spirituelle als auch aktuell gesellschaftlich fordernde Thema Barmherzigkeit, ein Begriff, zu dem knapp 100 Leute etwas hören wollen.
Gleich am nächsten Abend sind wieder so viele Menschen dabei, als der „Flüchtlingsfrage“ ein Gesicht gegeben wird: ein Syrer, seit drei Jahren in Deutschland, inzwischen anerkannt und selber – zusammen mit dem Initiator - in Sachen Helferkreis aktiv. Auf sympathische, menschliche, persönliche, aber auch realistische Art lässt er erkennen, wie es den Flüchtlingen, wenn sie denn endlich angekommen sind, bei uns geht und wie es auch den Helfern bei ihrem Einsatz geht. Begegnung der Religionen in unserer heutigen Gesellschaft – der nächste Abend: Hindus, Muslime, ein jüdischer Rabbiner, Buddhisten und Christen versammeln sich mit Interessierten zu einer Meditationsstunde. Von der Gruppe der Bahá'í ein eindrucksvolles Grußwort. Leitthema ist ein Buber-Wort: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.
Weiter geht’s noch ein paar Tage: Bericht über eine Slowakei-Reise des Verlages Neue Stadt; Bernd Aretz, der Autor einer neuen Biografie Martin Bubers stellt diesen großen jüdischen Philosophen vor. Und natürlich die Feier des St.-Martinsfestes für Familien mit Kindern: Singen, Basteln, Spielen, Martinsgeschichte, Martinsfeuer, Martinsgänse, … Den Abschluss der Martinswoche bildet der traditionelle, in guter bayrischer Tradition stehende „Hoagascht“. Was das ist? Das kann man nicht erklären, da muss man dabei sein …
Damit aber nicht genug: Der „Martinsmarkt“ lädt zum Stöbern ein. Manches Weihnachtsgeschenk wird ergattert: Bücher, Gebrauchtes, Fair-Gehandeltes. Und bei all dem lädt ein kleines Büffet (Punsch, Tee, Gebäck, Schmalzbrote) zur Begegnung ein.
Martin ist der, der den Menschen sieht, der stehen bleibt, der teilt: Ja, der passt als Namensgeber für diese intensive Woche der Begegnung.